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Migrierende Kinder mit Behinderung

Migration und Behinderung: während des jährlichen Kolloquiums der ADEM hat ein Workshop die Notwendigkeit eines Brückenschlags zwischen diesen beiden Welten offengelegt. Editorial von Evelyne Monnay.

Sie müssen mit einer dreifachen Verwundbarkeit kämpfen: die von ihrer Flüchtlingsroute bedingte, die der Behinderung (physisch, psychisch oder kognitiv) und die des Alter. Wir sprechen von migrierenden Kindern mit Behinderung. Während eines Workshops welcher die Fachleute verschiedenen Berufsgruppen versammelte hat das Kolloquium 2018 der ADEM diese beiden Problematiken verbunden, obwohl sie trotz ihrer mannigfachen Überschneidungen oft getrennt behandelt werden. Es handelt sich um die Migration und die Behinderung. Es gibt nur wenig Daten, die darüber Auskunft geben, wie oft sich diese beiden Thematiken vermengen. Doch in der Polyklinik des Kinderspitals in Lausanne betreffen über 80% aller Konsultationen Kinder mit Migrationshintergrund. Was die Behinderung anbelangt festzustellen, abgesehen davon, dass sie in allen Bevölkerungsgruppen auftritt, dass sie manchmal eine Folge, manchmal eine Ursache der Migration ist.

Es gibt verschiedene fachliche Möglichkeiten beim Umgang mit migrierenden Kinder mit Behinderung (man soll nicht vergessen, dass die Behinderung eine kulturelle Komponente in ihrer Wahrnehmung miteinschliesst, und durch soziale Kontexte beeinflusst wird): Sozialdienste, Gesundheitsdienste, Schulgesundheit, Krippen, Berufsbildungen, Erziehung, nebenschulische Aktivitäten und Unterkunft sind alles Orte an denen erkannt und begleitet wird.

Die Koordination zwischen all diesen Fächern ist deshalb ausschlaggebend. Es ist ihre Verantwortung alle Verwundbarkeiten zu berücksichtigen, ohne die Betreuung zu zersplittern. In einem multidisziplinären Ansatz und indem die nötige Zeit investiert wird müssen die Grenzen der jeweiligen Netzwerke aufgehoben werden, wie oben bereits erwähnt Brücken gebaut werden und es somit dem Kind und seiner Familie erlauben effiziente Hilfe von diesem System zu erhalten. Indem ein Austausch von Schule, Spital und Familie erleichtert wird, kann die Verschiedenheit der Betrachtungen gewahrt werden und hält somit die Scheuklappen der Fachspezialisten auf Abstand.

Die in diesem Kontext unerlässlichen Gemeinschaftsübersetzer sind oft nicht genügend nachgefragt und schwierig zugänglich. Eine Diskriminierung herrscht hier bedingt durch den Aufenthaltsstatus des Kindes. In der Verfahrensphase oder, wenn das Kind einer verwundbaren Gruppe angehört (humanitäre Annahme) ist der Zugang einfach. Dies ändert sich jedoch, sobald das Kind eine B-Aufenthaltsbewilligung erhält oder aus der Empfangsstruktur entlassen wird. Manches Mal wären sogar mehrere Übersetzer in den Vernehmlassungen notwendig, zum Beispiel bei einem migrierenden stummen Kind, in dessen Land die Gebärdensprache anders ist, als jene in der Schweiz! Hier sind wichtige finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, damit sich die Integration vollzieht.

Allgemein ist eine Teilnahme von Leuten aus derselben Gemeinschaft wichtig, damit eine tatsächliche Mitwirkung des Kindes und der Eltern an der Versorgung ermöglicht wird. Die Elternvereine, auch Eltern von Kindern mit Behinderung (wo man Leute aus der Gemeinschaft treffen kann) sind somit Partner erster Wahl.

Schliesslich, wie im medizinischen Gebiet allgemein, muss die Wichtigkeit der Kommunikation unterstrichen werden, sei es zwischen den verschiedenen Berufsgruppen, mit den Kindern oder der Familie. Wurde alles verstanden? Die Vereinfachung der Sprache (z.B. durch Verwendung von Piktogrammen) kann durch die Schulung der Fachleute, welche entwickelt werden soll, ermöglicht werden, wie dies im CHUV bereits der Fall ist. Während des ADEM-Workshops blieb die Frage danach, wer die Fachleute in der Kommunikation mit behinderten Kindern aus anderen Kulturen schulen sollte offen. Ist dies Aufgabe des Arbeitgebers? Des Staates durch die Verpflichtungen aus der Kinderrechtskonvention und aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung? Muss diese Ausbildung Pflicht sein?

Zum Schluss können wir sagen, dass Kindheit, Migration und Handicap alle Verweise auf das Andere darstellen und einen Aufruf an die Kreativität unserer Gesellschaft und deren Fachleute verhallen lassen. Die Neigung die Kapazität des Anderen als Partner zu verkennen kann verschwinden, wenn man sich Zeit nimmt. Dies würde uns einen Schritt weiter in eine Welt führen, in der man gleich und man selbst sein kann.

Dieses Editorial ist im Nachklang der Veranstaltung «Kinder mit Behinderung: welche Teilnahme, Einschulung, Berufsausbildung und soziale Integration?» animiert durch die Pädiater Yvon Heller und Flavie Joris während des jährlichen Kolloquiums der ADEM.

Siehe auch:

• HELLER Yvon C. Réflexions d’un pédiatre à l’aube de la retraite, Leserbrief in Paediatrica Vol. 28 n°2, 2017

Pediatrica, numéro spécial sur les migrants, Vol. 27, 2016

• PENAR (Verein zur Unterstützung der multidisziplinären Anhörung in rehabilitativer Pediatrik von Nyon):
- Die Rechte des Kindes mit Behinderung, 2013, ISBN: 978-2-8399-1363-8

Inclusion Handicap, Dachverband der schweizerischen Vereine für behinderte Personen

• METRAUX Jean-Claude, Migration als Metapher, La Dispute, 2017

• Schweizerisches rotes Kreuz, migesplus.ch, Traumatisierte junge Geflüchtete