Langues

Stellungnahme der ADEM vom 15. Mai 2017 : Unterbringung und Betreuung von MNA im Kanton Bern

Betreffend die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen im Kanton Bern anlässlich der kantonalen Abstimmung vom 21. Mai 2017

Bern, Sion, Lausanne, Genf, 15.05.2017

Die ADEM benutzt die französische Abkürzung MNA (mineurs non accompagnés), da in diesem Begriff auch unbegleitete Minderjährige, welche sich nicht im Asylverfahren befinden und allfällig ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben, mitgemeint sind. Sämtliche MNA weisen einen besonderen Schutzbedarf auf und bedürfen einer kindgerechten Betreuung und Rahmenbedingungen, die es ihnen erlaubt Zukunftsperspektiven zu entwickeln – entweder in der Schweiz, im Herkunftsland oder allenfalls auch durch eine Familienzusammenführung in einem Drittstaat.

Der Kanton Bern verfügt seit einigen Jahren über spezielle Strukturen für MNA. Mit der Mandatsübertragung an die Zentrum Bäregg GmbH machte der Kanton Bern einen grossen Schritt. Erstmals beauftragte ein Kanton eine spezialisierte Kindesschutzorganisation für die Unterbringung und Betreuung sämtlicher unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Dies gilt es zu unterstützen. Unbegleitete Minderjährige sind eine der verletzlichsten Kindergruppen und bedürfen deshalb spezifischen Unterstützungsmassnahmen, die eine solche Organisation anbieten kann.

Unter anderem als Reaktion auf die stark gestiegenen Zuweisungszahlen hat sie anfangs 2016 in Absprache mit dem Kanton das Ankunftszentrum Huttwil eröffnet. Dort werden die neu im Kanton angekommenen MNA während generell vier bis zwölf Wochen oder je nach individuellen Bedürfnissen durch ein interdisziplinäres Team betreut und auf eine geeignete Anschlusslösung vorbereitet. Ein ähnliches Modell betreiben seit vielen Jahren die meisten Bundesländer in Deutschland, wo es sich mittlerweile etabliert hat. In Deutschland nennen sich solche Ankunftsunterkünfte «Clearing houses», in denen in relativ kurzer Zeit mittels interdisziplinären Teams umfassende Bedürfnisabklärungen vorgenommen werden, damit die Anschlusslösung richtig gewählt und damit nachhaltig bleibt.

Das Ankunftszentrum Huttwil zeigt, dass eine solche Institution vor allem für grössere Kantone – oder in Zusammenarbeit von kleineren Kantonen – viele Vorteile mit sich bringen kann:

  • Sie vermittelt allen MNA auf einheitlicher Basis gleich bei der Ankunft grundlegende Kenntnisse zum Leben in der Schweiz.
  • Sie bereitet die MNA gezielt auf eine langfristige Unterbringungsform vor, was die weitere Entwicklung der MNA positiv beeinflusst und auch die regulären Betreuungsstrukturen nachweislich entlastet. Die zuständige Casemanagerin oder der Casemanager bleibt die zentrale Ansprechperson und garantiert Kontinuität auch in der Anschlusslösung.
  • Mit einem innovativen sportpädagogischen Ansatz (KRAFT-Modell), der das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt, etabliert das Zentrum einen Ort, welcher den MNA erlaubt, positive Assoziationen aufzubauen. Sollte ein nachfolgendes Wohnsetting nicht funktionieren, können die MNA im Ankunftszentrum an einem Time-Out teilnehmen.
  • Das bereits vertraute Fachpersonal nimmt eine Bedarfsanalyse vor, bearbeitet die anstehenden Themen intensiv mit den Jugendlichen und vermittelt Sicherheit in Bezug auf die weiteren Abläufe.
  • Eine interne Fachstelle Gesundheit den Kernauftrag der der medizinischen Grundversorgung vor Ort zu gewährleisten; dies nicht nur im Sinne des übergeordneten Kindesinteresses, sondern auch um die Gemeinden durch die Harmonisierung der Gesundheitschecks finanziell und administrativ zu entlasten.

Für weitere Informationen zu den Betreuungsstrukturen wird auf die im Rahmen eines sogenannten Mapping-Projekts des SSI erarbeitete knappe, deskriptive Beschreibung des Berner Modells verwiesen.

Für weitere Informationen zu Mindeststandards bei der Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen siehe auch die Empfehlungen der SODK vom Mai 2016.

Speziell hervorzuheben für den Kanton Bern war bisher auch die Schaffung einer Fachstelle UMA, welche im Auftrag der KESB Emmental die Beistandschaften für alle MNA im Kanton führte. Als MitarbeiterInnen einer zentralisierten und spezialisierten Stelle, können die Bestandspersonen die MNA ohne Beziehungsabbrüche begleiten,. Zudem verfügen diese Beistandspersonen über spezifisches Fachwissen, das es einer Beistandsperson, die hauptsächlich andere Mandate innehat, kaum aufzubauen gelingt. Nicht zuletzt wird dadurch innerhalb des komplexen Betreuungssystems die Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen erleichtert und damit die Betreuungsqualität erhöht.

Die ADEM bedauert sehr, dass diese Fachstelle UMA gemäss heutigem Informationsstand im Zuge von Sparmassnahmen neu organisiert und die Mandate neu verteilt werden. Wie diese Neuorganisation genau aussieht, ist noch nicht öffentlich bekannt. Die Gefahr besteht jedoch, dass das neue Modell zu einer Ungleichbehandlung der MNA und zu einem erhöhten Aufwand für Absprachen zwischen den Fachpersonen führt. Die ADEM bedauert diese Entwicklung sehr, zumal sich das Betreuungssystem in Bern eben gerade durch eine gute Zusammenarbeit der für die Unterbringung zuständigen Organisation, mit der Fachstelle UMA auszeichnete und damit eine ganzheitliche Begleitung gewährleisten konnte. Es ist absolut nachvollziehbar, dass im Zuge schwankender Fallzahlen personelle Ressourcen auf- und auch wieder abgebaut werden müssen. Hingegen dürfen durch solche Fluktuationen nicht bewährte Strukturen in Frage gestellt werden.

Die ADEM erachtet die Berner Lösung insbesondere deshalb als ein gutes Betreuungsmodell, da es sich durch einen ganzheitlichen und kindsgerechten Ansatz auszeichnet. In den wenigen Jahren in welchen die Zentrum Bäregg GmbH für die Unterbringung und Betreuung dieser jungen Menschen zuständig ist, wird der Grundstein für ein selbstständiges Leben mit Zukunftsperspektiven gelegt. Insofern ist der Kredit, der am 21. Mai im Kanton Bern zur Abstimmung kommt, eine absolute Notwendigkeit um den Kindesschutz ernst zu nehmen. Die Erziehung und Integration dieser Kinder und Jugendlichen können nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.